Autorin: Karen Nimrich
Erscheinungstermin: Juni 2022
Umfang: 172 Seiten
zahlreiche s/w illustrierte Übungsseiten
Format: 15,5 x 22 cm
Ausstattung: Paperback
ISBN: 978-3-99082-107-7
€ 24,90 inkl. USt.
ISBN eBook: 978-3-99082-108-4
€ 18,99 inkl. USt.
Die Gewaltfreie Kommunikation eröffnet für die Begleitung behinderter Menschen völlig neue Perspektiven.
Maya möchte sich seit Tagen nicht waschen, Ahmed redet unentwegt beim Essen und Simone wirft beim Mittagessen in der Schule mit Geschirr: Alltag in vielen Wohngruppen mit geistig behinderten Menschen sowie in der heil- oder sonderpädagogischen Arbeit.
Wie gehen wir mit solchen Verhaltensweisen um? Welche Reaktionen sind angemessen und sinnvoll? Was können wir tun, um Konflikte zu lösen und herausfordernde Situationen souverän zu meistern? Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist ein Lösungsweg, der in der Begleitung von Menschen mit Intelligenzminderung sehr hilfreich ist.
Dieser Ratgeber verrät, welche Chancen die Gewaltfreie Kommunikation im Alltag mit behinderten Menschen bietet. Nach einem kompetenten Einblick in die GFK mit ihren klassischen vier Elementen – Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte – widmet sich die Autorin unter anderem den folgenden Themenbereichen:
- Bedürfnisse bei Menschen mit Intelligenzminderung erkennen und erfüllen
- Die sozio-emotionale Entwicklung von der Geburt bis ins Erwachsenenalter
- Chancen bedürfnisorientierter Sprache: Bedürfnisse im Fokus der Arbeit
- Empathie und das „Vier-Ohren-Modell“: Schuldohren vs. Verständnisohren
- Aspekte von Macht und Umgang mit dieser
- Gewaltfreie Kommunikation im Team: Störungen ansprechen
- Umgang mit Kritik und Vorwürfen
Ein unverzichtbarer GFK Praxis-Ratgeber mit zahlreichen interaktiven Übungen + konkreten Anleitungen zur direkten Umsetzung im Arbeitsalltag.
Verlag edition riedenburg Salzburg – alle unsere GFK-Titel im Überblick unter www.GFK-Buch.de
Leseprobe
Gefühle im Umgang mit Menschen mit Intelligenzminderung
Als begleitender und assistierender Mensch sind zwei Aspekte hilfreich: Erstens das Kennen der eigenen Gefühle und zweitens das Erkennen und Wahrnehmen der Gefühle der Klientinnen.
Wir können noch so professionell arbeiten, unser Leben und Alltag sind geprägt von unseren Gefühlen. Wenn wir unangenehme Gefühle haben wie zum Beispiel Müdigkeit, Traurigkeit oder Ungeduld, arbeiten wir anders, als wenn wir gerade sehr glücklich, zufrieden oder entspannt sind. Haben wir Streit mit Kolleginnen, privaten Ärger oder fühlen uns müde oder krank, sind wir trotz Professionalität schneller gereizt, als wenn uns wenig oder nichts aus der Ruhe bringen kann.
Wir können das vermutlich nicht ändern und es sollte auch nicht unser Ziel sein, Gefühle zu unterdrücken. Das Wichtige ist, dass wir uns unserer Gefühle bewusst sind und sie verorten können. Es gibt einfach solche und solche Tage. Dies wird sich nicht vermeiden lassen.
Aber es ist gut, dass ich mir dessen bewusst bin, da ich so meinen Klientinnen anders gegenübertreten kann. Ich weiß, es sind meine Gefühle und sie haben nichts mit den Klientinnen zu tun, für die ich gerade zuständig bin. Ich unterdrücke meine Gefühle also nicht oder lasse sie im schlimmsten Fall an den Klientinnen aus, sondern ich bin mir ihrer bewusst, nehme sie an und kann sie bei mir selbst und meinen eigenen Bedürfnissen verorten.
Es kann hilfreich sein, sich direkt zu Arbeitsbeginn kurz zu fragen: Wie geht es mir heute? Was ist gerade in mir lebendig? Vor allem wenn man unangenehme Gefühle wahrnimmt, kann es helfen, sich diese kurz bewusst zu machen und sie anzunehmen.
Wenn wir mit uns und unseren Gefühlen (sowie mit unseren Bedürfnissen, dazu später mehr) in Kontakt sind, kann es uns helfen, leichter im Hier und Jetzt präsent zu sein.
Es tut uns gut, wenn wir uns darüber im Klaren sind, wie es uns gerade geht und welche Gefühle in uns lebendig sind. Bei der Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung kommt jedoch noch ein anderer Aspekt hinzu: Meine Klientinnen nehmen meine innere Gefühlslage meist viel stärker wahr als Menschen ohne geistige Behinderung. Vor allem, wenn Menschen sich in einer frühen emotionalen Entwicklungsphase befinden, können sie diese Stimmungen, also in dem Fall meine Gefühle, nicht von ihrem eigenen Befinden trennen.
Ich beobachte das bei vielen meiner Klientinnen: Je gestresster und unruhiger ich bin, desto unruhiger sind meine Klientinnen. Geht es mir hingegen gut und bin ich gelassen, entspannen sich auch die Klientinnen.
Dies trifft zwar nicht auf jede Klientin und jede Situation zu, ist jedoch eine Beobachtung, die ich in der Arbeit häufig mache. Auch wenn ich manchmal beruflich nur so tue, als ob es mir gut ginge und ich im Inneren eigentlich gestresst bin, merke ich das an der Stimmung meiner Klientinnen.
Allerdings bedeutet dies nicht, dass wir Heilerziehungspflegerinnen bei der Arbeit nur noch entspannt und zufrieden sein sollten. Dazu ist kein Mensch in der Lage und es sollte nicht unser Ziel sein. Unsere Klientinnen dürfen durchaus mitbekommen, dass es uns nicht immer gut geht, da dies zu jedem Leben dazugehört. Man kann es auch laut aussprechen: „Heute bin ich gestresst und habe viel im Kopf. Und du, Stefan, spürst du das und bist jetzt auch angespannt?“
Wenn ich weiß, dass mein Klient sein Wohlbefinden nicht oder nur schwer von meiner Stimmung trennen kann und ich mir meiner Gefühle bewusst bin, zum Beispiel dass ich gerade müde und gestresst bin, kann ich geduldiger und verständnisvoller mit ihm sein, wenn auch er angespannt ist.
Außerdem werden unsere Klientinnen davon profitieren, wenn sie an uns erleben, dass wir mit unseren Gefühlen im Kontakt sind und gut für uns selbst sorgen.
***
Übung
Gehen Sie das nächste Mal fünf Minuten früher zur Arbeit und nehmen sich Zeit, in sich hineinzuspüren.
Stellen Sie sich dabei folgende Fragen:
- Wie geht es mir gerade? Bin ich entspannt oder angespannt? Müde oder wach?
- Welche Gefühle sind außer den vorgeschlagenen Gefühlen in mir lebendig?
- In welchem Körperteil spüre ich das Gefühl, was gerade präsent ist, am deutlichsten?
Überlegen Sie, was Ihnen (nicht nur auf der Arbeit) guttut, wenn Sie gestresst und angespannt sind. Sammeln Sie schriftlich, welche Dinge Ihnen guttun, um sich zu entspannen.
Bleiben Sie während Ihrer Arbeit aufmerksam und legen Sie eine Pause ein, wenn Sie merken, dass Ihre Anspannung und Ihr Stresspegel steigen. Nehmen Sie sich kurz Zeit zu spüren, wo Sie dies fühlen. Kribbelt es irgendwo? Sind Sie nervös?
Denken Sie an die vorherige Übung, können Sie von Ihren aufgeschriebenen Dingen etwas nutzen?
Inhalt
Vorwort … 9
Einleitung … 13
Was erwartet Sie in diesem Buch? … 19
Gewaltfreie Kommunikation … 23
Die vier Elemente … 29
- Beobachtung … 30
Beobachtung und Bewertungen im Umgang mit Menschen mit geistiger Behinderung … 33
Gedanken und Worte prägen meine Haltung … 35
Moralische und lebensdienliche Bewertungen … 36
- Gefühle … 39
„Gefühl“ im Unterschied zum „Gedanken“ … 40
Gefühle im Umgang mit Menschen mit Intelligenzminderung … 43
- Bedürfnisse … 48
Bedürfnisse und Strategien … 49
Bedürfnisse im Umgang mit Menschen mit Intelligenzminderung … 50
- Bitten … 52
Unterscheidung zwischen Bitte und Forderung … 52
Beziehungsbitte … 54
Handlungsbitte … 55
Verständnisbitte … 57
Bedürfnisse bei Menschen mit Intelligenzminderung … 61
Die sozio-emotionale Entwicklung … 64
Primärer Zustand (0 – 4/6 Wochen) … 64
Symbiotische Phase (4 Wochen – 4/5 Monate) … 65
Differenzierungsphase (4/5 – 10/11 Monate) … 66
Übungsphase (10/11 – 17/18 Monate) … 68
Wiederannäherungsphase (17/18 – 24 Monate) … 68
Befestigungsphase (2 – 3 Jahre) … 69
Ödipale Phase (3 – 5 Jahre) … 70
Latenzzeit (6 – 10 Jahre) … 71
Pubertät, Adoleszenz und Erwachsenenalter (ab 11 Jahren) … 72
Übersicht emotionale Phasen und wesentliche Bedürfnisse … 73
Die Chancen einer bedürfnisorientierten Sprache … 77
Bedürfnisse im Fokus der pädagogischen Arbeit … 79
Selbstempathie als Form der Selbstfürsorge … 87
Emotionale Kompetenz … 91
Bedürfnisse kennen als Verständnis-Brücke … 94
Verhaltensweisen besser verstehen … 96
Die Chancen der Empathie … 101
Empathie und das Vier-Ohren-Modell … 107
Schuldohren innen und außen … 110
Verständnisohren innen und außen … 111
Beschützende und bestrafende Macht … 117
„Macht mit“ und „Macht über“ … 125
Gewaltfreie Kommunikation im Team … 135
Begegnung auf Bedürfnis-Ebene … 137
Sich aufrichtig mitteilen und Störungen ansprechen … 141
Konkrete Bitten für eine klare Kommunikation … 143
Eigenverantwortung als Beitrag zu entspannter Arbeitsatmosphäre … 144
Vorwürfe und Kritik … 145
Wertschätzung ausdrücken … 148
Selbstfürsorge … 149
Im Gespräch mit Angehörigen … 150
Resümee … 153
Haben sich dann ab jetzt alle lieb? … 154
Die Herausforderung im Arbeitsalltag … 157
Danksagung … 162
Bedürfnisliste … 164
Übungsblatt Wolfsohren – Giraffenohren … 166
Literaturverzeichnis … 167
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Karen Nimrich
Karen Nimrich arbeitet seit mehreren Jahren als staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin in einer Wohngruppe für Menschen mit sogenannten herausfordernden Verhaltensweisen und ist zudem als selbstständige Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation (GFK) tätig.
Bücher von Karen Nimrich
"Ich freue mich sehr, dass nun 'endlich' auch ein Buch über Gewaltfreie Kommunikation mit Fokus auf die Begleitung von Menschen mit Behinderung in den Regalen zu finden ist. Eine klare Leseempfehlung!" (Martina Lehofer-Muhr, Zeitschrift MENSCHEN. 2/2023)
"Sehr informatives Buch, bei dem man den Praxisbezug und die Erfahrung der Autorin deutlich erkennt. Viele gute Anregungen zur Selbstreflexion der eigenen Haltung im Arbeitsumfeld. Sollte jeder HEP gelesen haben." (Stefan Görge, HEP-Informationen 4/22)
"In diesem Buch widmet sich die Ulmerin Karen Nimrich der Frage, welchen Gewinn gewaltfreie Kommunikation in der Begleitung von Menschen mit Behinderung bringt. Maya möchte sich seit Tagen nicht waschen. Ahmed redet unentwegs beim Essen. Alltag mit geistig behinderten Menschen. Wie gehen wir mit solchen Verhaltensweisen um? [...] Das Buch richtet sich an Heilerziehungspflegekräfte, Lehrkräfte, Eltern und alle, die Kontakt zu Menschen mit Behinderung haben." ("SPAZZ", Ausgabe Dezember 2022)
"Das Buch ist ein hilfreicher Ratgeber für die Praxis der Gewaltfreien Kommunikation bei Menschen mit Behinderung, es enthält zahlreiche interaktive Übungen und konkrete Anleitungen zur direkten Umsetzung im Arbeitsalltag." (CBP-Info 4 / November 2022)
"Simone wirft beim Mittagessen in der Schule mit Geschirr: Alltag in vielen Wohngruppen mit geistig behinderten Menschen sowie in der heil- oder sonderpädagogischen Arbeit. [...] Dieser Ratgeber verrät, welche Chancen die Gewaltfreie Kommunikation im Alltag mit behinderten Menschen bietet." (EbE Eltern beraten eltern von Kindern mit und ohne Behinderung e.V., 24.11.2022)
„Sehr empfehlenswert für alle, die mit Menschen mit Behinderung leben und sie bestmöglich unterstützen wollen. Es ist aus Sicht einer Mitarbeiterin einer Wohngruppe geschrieben, die an ihre Kollegen appelliert und ihnen mit dem Buch das GFK-Werkzeug an die Hand gibt. Genauso gut eignet es sich für Eltern, Geschwister, Freunde und Begleiter von Menschen mit geistiger Behinderung. Das Prinzip der gewaltfreien Kommunikation nützt allen Menschen. Autorin Karen Nimrich geht es um mehr - ihr Buch soll ein Weckruf sein 'zum besser hinsehen, besser hören, besser fühlen' im Hinblick auf die, die das auf sich allein gestellt nicht schaffen. Daher beleuchtet sie auch die Aspekte Macht, Teamarbeit und Selbstfürsorge. Als Mutter eines Jugendlichen mit 5p-Syndrom, der sich verbal nicht gut verständlich machen kann, empfehle ich das wertvolle Buch - und wünsche mir GFK als Basis auch für die Kommunikation zwischen Professionellen und Angehörigen!“ Antje Hachenberg, Wrist/Schleswig-Holstein (Lebenshilfe-Treffpunkt Pinneberg), 23.8.2022
"Sehr empfehlenswert. Ganz besonders möchte ich allen Interessierten und Lesenden die Ausführungen zu 'Macht' ab S. 117 empfehlen." (Kinder Pflege Netzwerk, Claudia Groth, 18.8.2022)
"Ein sehr gut lesbares und praxisorientiertes Buch." (DHG Deutsche Heilpädagogische Gesellschaft e.V.,15.8.2022)